Anwendung und Einnahme von Kreatin:
Kreatin als offiziell erlaubte Nahrungsmittelergänzung zur Leistungssteigerung für Sport und Freizeit
Nachdem das Schweizerische Bundesamt für Gesundheitswesen in Bern (BAG) Kreatin als Nahrungsmittelzusatz geprüft und seit August 1995 zugelassen hat, wird Kreatin als Aufbaumittel von Athleten für praktisch alle Sportarten angewendet. Mit Kreatin als natürlichem Leistungsverbesserer sind an nationalen und internationalen Wettkämpfen schon einige Goldmedaillen gewonnen worden. In einem Communique vom 14. Dez. 1998 hat das Internationale Olympische Kommitee (IOC) in Lausanne in einer offiziellen Stellungnahme verlauten lassen, dass es keine objektiven Gründe gibt, Kreatin auf die Doping-Liste zu nehmen und dass Kreatin von Sportlern und Athleten weiterhin als erlaubte Nahrungsmittelergsergänzung zur natürlichen Leistungssteigerung eingenommen werden darf. Kreatin empfiehlt sich deshalb auch für gut trainierte Freizeitsportler, Bergsteiger etc., die oft an die Grenzen ihrer körperlichen Leistungsfähighigkeit kommen, nicht nur wegen der Steigerung der effektiven körperlichen Leistung, sondern auch weil die Erholung von grossen Anstrengungen verbessert und beschleunigt wird (Greenhaff et al. 1994: Aaserud et al. 1988).
Kreatin für Alltag und Beruf, für Vegetarier, sowie für Senioren und Rekonvaleszente
Neuere
Forschungsarbeiten zeigen nun,
dass nicht nur Athleten und
Spitzensportler von
Kreatin profitieren können, sondern auch
Personen, die in Beruf und Alltag unter
physischem und psychischem
Leistungsdruck stehen,
sowie Rekonvaleszente, deren
Muskelmasse
und Kraft nach längerer Bettlägerigkeit
stark
reduziert worden ist.
Dasselbe gilt
insbesondere
auch für Vegetarier und
ältere Personen,
die nachweislich
signifikant niedrigere Kreatin- und
Phospho-Kreatin Spiegel in ihren Muskeln
aufweisen (Smith et al.
1998). Auf Grund der
positiven Berichte vieler Personen, die Kreatin
zu sich nehmen, kann gefolgert werden, dass diese
Substanz auch die
Leistung des Gehirns, z.B.
Lernen und Gedächtnis, sowie die
Koordination der Bewegung verbessern und
gleichzeitig die
Stresstoleranz erhöhen
kann. Viele Probanden berichten zudem,
dass sie
sich mit Kreatin auch psychisch schneller und
besser
erholen und weniger Schlaf
benötigen.
Die
muskulären
Phospho-Kreatin-Speicher nehmen mit dem Alter nämlich deutlich ab
(Pastoris et al. 1998)
und die Gruppe der Personen ab 50 Jahren
profitieren am meisten von einer
Kreatin-Supplementation (Smith et
al. 1998). Es
ist offensichtlich, dass sich eine
Kreatin-Supplementation deshalb besonders auch
für Senioren
eignet und dieses Mittel als
wertvolles Zusatz- und
Aufbaupräparat
für den Geriatriebereich auch in Alters-
und
Pflegeheimen mit Erfolg eingesetzt werden
könnte.
Kreatingaben wären sicher auch
für magersüchtige
jüngere und
ältere Patienten zu empfehlen.
Gesundes Altern
Auf 969
Lebensjahre, die dem biblischen Methusalem zugeschrieben werden, wird
es der moderne Mensch wohl nie bringen. Eine bescheidene
Verlängerung der Lebenszeit und vor allem eine Verzögerung
der Alterungsprozesse scheinen aber durchaus realistisch –
möglicherweise mit Hilfe der organischen Säure Kreatin.
Diese Substanz ist als Nahrungsergänzungsmittel bereits weit
verbreitet und wird vor allem von Sportlern zur muskulären
Leistungssteigerung eingenommen. Der Stoff bewahrte aber auch
Nervenzellen im Tierversuch vor neurodegenerativen Leiden wie
Parkinson oder der Erbkrankheit Chorea Huntington. Doch Kreatin kann
noch mehr, wie Münchner Wissenschaftler um Dr. Andreas
Bender und Privatdozent Dr. Thomas Klopstock an der Neurologischen
Klinik der Universität München jetzt in der
online-Ausgabe der Fachzeitschrift „Neurobiology of
Aging“ zeigen (Bender et al. 2007): „Die Einnahme von
Kreatin führt bei Mäusen zu einer Lebensverlängerung
von neun Prozent“, so Klopstock. „Das ist im Vergleich zu
anderen ‚anti-aging’-Ansätzen, etwa einer
Kalorienreduktion, zwar nicht aussergewöhnlich viel. Die
Einnahme von Kreatin wäre aber als bislang einzige
Massnahme vermutlich relativ problemlos vom Tier auf den
Menschen übertragbar.“
Im Tierversuch scheint es oft ganz
einfach: So können die Lebensspannen von Taufliegen oder
bestimmten Fadenwürmern und Nagetieren jetzt schon deutlich
verlängert werden. Die bei diesen Experimenten gewonnenen
Erkenntnisse lassen sich aber nur selten – wenn überhaupt
– auf den Menschen übertragen. Denn der Prozess unserer
Alterung ist immer noch nur im Ansatz verstanden. Einige wichtige
Mechanismen, die dabei eine Rolle spielen, sind bereits bekannt. So
greifen etwa so genannte freie Sauerstoffradikale Zellen an. Zur
Alterung des Körpers tragen aber auch Fehlfunktionen in
bestimmten Stoffwechselwegen bei, die dann noch oftmals miteinander
verknüpft sind. Diese komplexen Wechselwirkungen aber machen es
umso schwieriger, die Faktoren und molekularen Abläufe der
Alterung zu beeinflussen und zu kontrollieren. „Eine
verstärkte Produktion von Enzymen, die als Antioxidantien
wirken, kann beispielsweise die Lebensspanne in verschiedenen
Organismen verlängern“, so Klopstock. „Eine
derartige Massnahme auf genetischer Ebene kann aber im Menschen
nicht einfach vorgenommen werden. Die Verfütterung von
Antioxidantien an Mäuse aber hatte wiederum keinen Einfluss auf
deren Alterung.“
Eine schützende Wirkung von Kreatin
auf Nervenzellen war in den letzten Jahren in Tiermodellen für
Parkinson und Chorea Huntington bereits gezeigt worden. Da diese
neurodegenerativen Erkrankungen auf ähnlichen molekularen
Mechanismen beruhen wie der Alterungsvorgang selbst, wollte das Team
um Klopstock die Auswirkungen der Substanz auf die Lebensspanne von
Mäusen testen. Dazu verabreichten sie 162 weiblichen Mäusen
die gleiche Diät, wobei bei der Hälfte der Tiere Kreatin
beigemischt war. Es zeigte sich, dass die Lebensspanne der Tiere, die
Kreatin zu fressen bekamen, im Schnitt um neun Prozent
verlängert war. „Wir fanden aber noch weitere positive
Effekte“, berichtet Klopstock. „So schnitten die
Mäuse im hohen Alter körperlich, also in puncto Muskelkraft
und Gleichgewicht, aber auch in Bezug auf ihr Gedächtnis,
deutlich besser ab. Das zeigte sich unter anderem daran, dass sich
eine geringere Menge des Alterspigments Lipofuszin im Gehirn
ablagerte, und auch die freien Sauerstoffradikale reduziert waren.
Dagegen steigerte sich die Aktivität von
‚anti-aging’-Genen im Gehirn, die das Wachstum der
Neuronen fördern und diese Zellen schützen sowie das Lernen
erleichtern. Insgesamt also verbesserte die Einnahme von Kreatin die
Gesundheit von Mäusen und verlängerte ihre Lebenszeit. Weil
die gute Verträglichkeit von Kreatin bereits bekannt und erprobt
ist, könnte diese Substanz möglicherweise also auch zu
einem gesunden Altern beim Menschen beitragen.“
Muskelschwund und Rehabilitation
Es ist allgemein bekannt, dass schon nach relativ kurzer Bettlägerigkeit sowohl die Muskelmasse als auch die Muskelkraft von immobiliserten Patienten signifikant abnehmen und ein Wiederaufbau des Muskelapparates während der Rekonvaleszenz auch unter regelmässiger Physiotherapie und mit entsprechendem Krafttraining längere Zeit in Anspruch nehmen kann. In diesem Zusammenhang ist kürzlich ein Durchbruch mit der Anwendung von Kreatin gelungen. Es konnte nämlich gezeigt werden, dass bei freiwilligen Probanden, denen während 2 Wochen ein Bein von der Hüfte bis zu den Zehen eingegipst (immobilisiert) worden war, durch Kreatineinnahme der Verlust an Muskelmasse am immobilisierten Bein im Vergleich zu einer Kontrollgruppe zwar nicht signifikant vermindert werden konnte, aber dass sich sowohl Muskel- und Kraftzuwachs nach Entfernung des Gipses während der Rehabilitationsphase bei der Kreatin-Gruppe deutlich besser entwickelten und die Durchmesser aller Muskelfasern nach der Rehabilitation signifikant grösser waren als bei der Kontrolgruppe, die kein Kreatin zu sich nahm (Hespel et al. 2001). Auf Grund dieser Daten wird für die Rehabilitation, z.B. von Hüft- und Kniegelenk-Operierten Kreatin in Schweizerischen Rehabilitationszentren, wie Bad-Ragaz, bereits schon mit Erfolg eingesetzt.
Kreatin als Hilfstherapie bei verschiedenen neuro-muskulären Krankheiten
Obwohl
auf Grund der Befunde aus der
Grundlagenforschung die zentrale Rolle
von
Kreatin und Phospho-Kreatin umfassend gezeigt und
dokumentiert
werden konnte, überrascht es,
dass Kreatin in der Humanmedizin
bis in neuester
Zeit relativ wenig Beachtung gefunden hat. Es ist
nämlich durchaus anzunehmen, dass viele
Patienten mit
verschiedenen Krankheiten des
zentralen und peripheren
Nervensystems, sowie der
Skelettmuskeln, des Herzens, und der
Knochen von
Kreatin profitieren könnten.
Grundsätzlich
kann nämlich gesagt
werden, dass viele Krankheiten, besonders
jene im
neuro-muskulären Bereich, mit einer
gestörten
Zellenergetik einhergehen, das
heisst, der Energiezustand der
Nerven-und/oder
Muskelzellen ist in diesen Patienten deutlich
vermindert.
Bei der Duchenne Muskeldystrophie
stellt man nach
Muskelstress eine erhöhte
Kalzium-Konzentration in den
Muskelzellen fest.
Auf Grund der Abwesenheit des Dystrophin-Proteins
oder Fehlern im Dystrophin-Glykoprotein-Komplex,
kommen bei dieser
Krankheit nämlich oft
Defekte in den Zellmembranen der Muskeln
der
Patienten vor, wodurch zuviel Kalzium in die
Muskelzellen
einströmen kann. Die chronisch
erhöhte
intra-zelluläre
Kalziumkonzentration bewirkt unter anderem,
dass
die Muskelzellen, die unter ständigem
Energieaufwand und
somit unter Verbrauch von
energetisch wertvollem Phospho-Kreatin
versuchen,
das überschüssige Kalzium aus der Zelle
heraus
zu pumpen, verkrampfen und schliesslich
langsam degenerieren.
Chronisch erhöhte
Kalzium-Konzentrationen in den Zellen
führen
aber infolge der Aktivierung von
Kalzium-abhängigen Proteasen zu einem
erhöhten Abbau von
Muskelsubstanz und
langfristig zu Muskelatrophie.
Die
Wiederherstellung der optimalen Energetik in
diesen Zellen mittels
Kreatin, das in den
Ruhephasen zu Phospo-Kreatin (PCr) aufgeladen
wird, scheint somit eine logische therapeutische
Strategie, die
sich in Zellkulturen von
dystrophen Mäusen und am Tiermodell
mit
dystrophen Mäusen tatsächlich bereits
bewährt
hat (Pulido et al. 1998). Neueste
Studien mit diesen dystrophen
Mäusen haben
gezeigt, dass Kreatin nicht nur die
Muskelnekrosen signifikant hemmt, sondern auch
hilft die
Mitochondrienfunktion
aufrechtzuerhalten (Passaquin et
al.2002).
Auch wenn die Einnahme von Kreatin
und somit die
Erhöhung des
Phospho-Kreatin-Spiegels die tatsächlichen
Ursachen der diversen neuromuskulären
Erkrankungen nicht
direkt reparieren kann, wird
durch Kreatinabgaben doch der
energetische
Zustand von Nerven und Muskeln generell
verbessert.
Falls mit der Einnahme von Kreatin
früh genug in den
Krankheitsverlauf
eingegriffen wird, ist anzunehmen, dass sich
nicht nur die Symptome wesentlich verbessern,
sondern auch der
Verlauf der Krankheit
verlangsamt oder sogar für längere
Zeit
verzögert werden kann.
Positive Berichte von muskelkranken Patienten
In der Deutschen Zeitschrift “Muskelreport” 3/96 auf Seite 23-25 veröffentlichten Bericht “Mein Selbstversuch mit Kreatin-Monohydrat” schreibt Frau Therese Bigge, die seit ca. 30 Jahren an Muskeldystrophie vom Typ Gliedergürtel leidet, von ihren erstaunlich positiven Erfahrungen mit der Ergänzung ihrer Nahrung durch Kreatin. Sie selber und in der Zwischenzeit eine ganze Reihe weiterer Patienten mit verschiedenen Muskelkrankheiten berichteten in persönlichen Briefen: “Am auffallendsten sind Verbesserungen bei der Gehfähigkeit. Ich gehe schneller, sicherer, leichter, ausdauernder”, oder: “schon eine Woche nach Einnehmen von Kreatin verschwanden meine Kreislaufbeschwerden und meine starke Müdigkeit. Mein Steppergang ist bisher geblieben, aber ich gehe sicherer, ausdauernder, stolpere und falle nicht mehr”, oder: “Ich kann jetzt ohne Begleitung kurze Strecken gehen” usw.
Erste wissenschaftlich belegte, klinische Doppelblind-Studien über Kreatin-Supplementation mit muskelkranken Patienten
Solche Einzelbeobachtungen, die sehr
ermutigend tönen und die in letzter Zeit
immer häufiger
eintreffen, gilt es nun zu
prüfen und in seriösen
klinisch-wissenschaftlichen Doppelblindstudien zu
erhärten.
Diese Einzelfallbeschreibungen von
Muskel-Patienten haben
schliesslich doch die
Aufmerksamkeit der Ärzteschaft erreicht.
Daraufhin sind nun endlich verschiedene
umfangreiche
wissenschaftliche Studien mit
solchen Patienten in Angriff genommen
worden
(Tarnopolsky et al. 1997). Die Gruppe von Prof. Tarnopolsky
in Kanada konnte an Patienten mit
verschiedenen muskulären- und
neuro-muskulären Erkrankungen deutlich
positive Effekte auf
die Muskelkraft nach
Einnahme von Kreatin zeigen (Tarnopolsky and
Martin 1999). Erste Resultate aus solchen Studien
mit
Muskelpatienten, die nun auch in Deutschland
durchgeführt
werden, z.B. von Prof. Hanefeld
in Göttingen (Hanefeld 1999)
und Prof.
Pongratz in München (Walter et al. 1999;
Klopstock
et al. 1999), sind durchaus positiv. In
der Schweiz ist im Dezember
1998 eine erste
placebokontrollierte
Doppelblind-Cross-Over-Studie
mit Duchenne
Patienten am Inselspital in Bern (PD. Dr.
J.M. Burgunder, Neurologische Klinik, zusammen mit
Prof. T. Wallimann
ETH-Zürich)
angelaufen.
Die kürzlich in “Nature
Medicine” veröffentlichte Arbeit der Gruppe
um Prof. M.F. Beal
in Boston (Klivenyi, et al.
1999) die eine überraschend
positive
neuroprotektive Schutzwirkung von Kreatin am
Huntigton und
ALS Tiermodell gezeigt hatte, rief
in den USA euphorische
Begeisterung
“breakthrough in the treatment of
neurodegenerative diseases like Lou Gehrig's
disease” aus.
Die
Resultate der am 31.
European Metabolic Group (EMG) Meeting
(Unterlagen bei Milupa GmbH Bahnhofstrasse 14-30,
D-61381
Friedrichsdorf, BRD) vom 28-30 Mai 1999
in Wien präsentierten
Forschungsarbeiten
unterstützen die Wirksamkeit von Kreatin bei
Patienten mit verschiedenen Muskelkrankheiten,
sowie die
neuroprotektive Wirkung von Kreatin.
Dasselbe war der Fall beim
Internationalen
Meeting über “Creatine von der
Grundlagenforschung zur klinischen Anwendung”,
abgehalten am 4.
Juni 1999 in Mailand
(Informationund Unterlagen bei Fondatione
Giovanni Lorenzini, Via Appiani 7, I-20121
Mailand, Italien).